In der Schulchronik haben wir einen interessanten Textbeitrag aus dem Jahr 1988 gefunden, welcher anlässlich der Feier “20 Jahre Till-Eulenspiegel-Schule” von Frau Gisela Fechler verfasst wurde. Dort heißt im Wortlaut:
Im Bereich des alten Reinickendorfer Dorfkernes gab es schon lange eine Schule. Zuerst die Dorfschule. Sie war dürftig – wie das Dorf selbst. Später wurde in diesem Bereich ein großes, rotes Backsteingebäude für die damalige Volksschule errichtet (Anm.: heutige Paul-Löbe-Oberschule). Die Bombenangriffe des 2. Weltkrieges ließen dieses Schulhaus unversehrt. Als nach dem Krieg das Schulwesen umgestaltet wurde, zog die hiesige Hauptschule als Hausherr hier ein. Der Grundschule, die die Schüler dieser Wohngegend besuchten, wurden nur einige Räume des großen Gebäudes zur Verfügung gestellt. Oft reichte der Platz nicht aus, und einige Klassen brachte man in nahegelegenen anderen Schulen unter. Die Schule führte ein Untermieterdasein wie viele Menschen jener Zeit. Jahrelang ging es so, bis schließlich ein Schulhaus für diese Grundschule geplant wurde. Man nahm das Objekt nicht gleich in Angriff, und es geriet in Vergessenheit. Dann wurde neu geplant, ein Bauplatz gesucht und gefunden. Die Laubenkolonie an der Humboldtstraße musste räumen. Lehrer und Schüler zogen im Juni 1965 zum Bauplatz und nahmen fröhlich singend an der Grundsteinlegung teil. Im April 1967 war es dann soweit, dass die Schule in das eigene Haus einziehen konnte. Natürlich besuchten viele der Jungen und Mädel, die die Grundsteinlegung mitgefeiert hatten, längst eine Oberschule. Doch so ist es an einer Schule nun einmal – ein ständiges Kommen und Gehen. Endlich hatten wir ein eigenes Schulhaus – einen modernen Bau von Grünflächen umgeben.
Eigentlich hatten wir damit alles, was wir uns gewünscht hatten und was wir brauchten. Alles? Nein! Uns fehlte der Name. Das Amt wollte, dass wir uns einen Namen zulegten. Es war Mode geworden, zu den unpersönlichen Nummern, mit denen die Schulen bezeichnet waren, einen Namen zu führen. Wir suchten nach etwas Passendem, machten dem Schulamt Vorschläge, doch immer wurde abgelehnt. “Nicht schön” – “unpassend für eine Grundschule”. Wir überlegten weiter und so vergingen die ersten Wochen im eigenen Haus, in denen wir uns mit der neuen Umgebung auseinandersetzten. Es wurden die Einrichtungen gelobt, bewundert, kritisiert und belächelt. Was gab es aber auch nicht alles in diesem Schulhaus. 18 Klassenräume, 2 Mehrzweckräume, 1 Lehrerzimmer, 1 Amtszimmer, 1 Sekretariat, 1 Lehrerbücherei, 1 Schülerbücherei, 1 Elternsprechzimmer, 1 Eingangshalle, 1 Turnhalle, 1 Vorschule und Kunstwerke. z.B. einen Brunnen in einem Innenhof, ein Balkongitter, goldig blinkende Halbkugeln an der Wand der Eingangshalle und vor dem Haus einen hohen Hast mit Querhölzern und herabhängenden Halbkugeln aus Metall, die sich bei Wind bewegten und klingelten. Bei der Betrachtung dieses Gebildes entspann sich damals unter Kollegen etwa folgende Unterhaltung:
„Auch ein Kunstwerk, dieser Schellenbaum!“ – „Schellen, wie an Eulenspiegels Narrenkappe.” „Eulenspiegel? Wäre das nicht ein Name für unsere Schule?”
Der Name war gefunden. Wir machten uns nun daran, recht viel über unseren künftigen Namenspatron zu erfahren. Und wir fanden viel. Auch den Freundeskreis entdeckten wir bei unseren Vorbereitungen für die Feier zur Namensgebung, die am 26. März 1968 stattfand. Mit einer tollen Aufführung und einem gemütlichen Beisammensein wurde die Taufe gefeiert. Einmal – und nicht dreimal wie bei Till. Viele Gäste nahmen daran teil. Aus Schöppenstedt war als Vertreter des Freundeskreises Herr Stadtdirektor i.A. Kroll angereist, der Lehrer und Schüler nach Schöppenstedt einlud. Dieser Einladung folgten wir sehr bald. Von 26. März 1968 an waren wir nun die Till-Eulenspiegel-Schule. In den ersten Jahren hatten wir fast 1000 Schüler an der Schule. Jetzt sind es knapp 300. Es gab Zeiten, in denen der Platz kaum ausreichte. Doch der Schülerberg rollte weiter an die Oberschulen. Man sieht, an der Schule werden nicht nur Schüler, sondern euch Berge versetzt. Den fetten Jahren folgten magere. Während der Zeit der geburtenschwachen Jahrgänge tauchte oft die bange Frage auf: „Wird die Eulenspiegel-Schule sich halten können?“ Sie hat sich gehalten. Die Eulenspiegel-Schule ist noch, und sie wächst wieder. Eine Schule ist eine lebendige Institution. Nicht nur die Schüler entwachsen noch einigen Jahren der Anstalt, auch bei den Lehrern gibt es Wechsel. Von den Damen und Herren, die 1967 einzogen, sind noch zwei im Kollegium, von denen, die die Namensgebung mitfeierten, unterrichten noch drei an der Schule. Viele wurden an andere Schulen versetzt. Viele gingen in den Ruhestand. Auch unser- Rektor, Herr Neumann, der sich mit großem Engagement für den Gedanken Eulenspiegels einsetzte, ist seit Jahren pensioniert. Frau Höhne-Wieynk hat seit 1983 die Leitung. Ihr besonderer Einsatz gilt dem Englischunterricht und dem Sport. Doch wie verlief das Schulleben während der vergangenen zwei Jahrzehnte? Die Aufführung zur Namensgebung blieb nicht die einzige. Viele folgten.
Regelmäßig begrüßen die älteren Klassen die ABC-Schützen mit kleinen Darbietungen. Zur Verabschiedung der 6. Klassen wurde ebenfalls etwas vorgeführt. Manchmal gab es kleine Stücke in englischer Sprache, denn die Klassen 5 und 6 haben Englischunterricht, und so sollen die Kenntnisse auch einmal vorgezeigt worden. Es fanden sich auch andere Anlässe für Theaterspiele. Krippenspiele wurden zur Weihnachtszeit gezeigt. Die Flötengruppen luden zu Musikabenden ein. Zum 10jährigen Bestehen der Schule wurde die Eulenspiegelkantate einstudiert und dargeboten. Wieder hatten wir Besuch aus Schöppenstedt. 1979 wurde ein Zeichenwettbewerb mit der niederländischen Eulenspiegelschule in Deurne durchgeführt. Die Arbeiten wurden im Mai in Deurne und im Herbst bei uns ausgestellt. Dazu kamen einige niederländische Kollegen und Schüler nach Reinickendorf. Sie wurden mit Stadtrundfahrt, Schulbesichtigung und dem Theaterstück: „Die Nürnberger Krankenheilung“ erfreut. Im Gedenkjahr der Brüder Grimm wurde mit einem Bühnenstück an die Sammler unserer Märchen erinnert. Im vergangenen Jahr zeigten wir den Eltern und Freunden der Schule anlässlich des Stadtjubiläums einen Querschnitt durch die zurückliegenden 750 Jahre.
Im Sommer 1985 erlebten die Eulenspiegel-Schüler ein großartiges Sommerfest, das hauptsächlich der Elterninitiative zu verdanken war.
Mehrfach wurden an einem Adventssonnabend auf einem Weihnachtsbasar Bastelarbeiten zum Verkauf angeboten. Dem größten Teil des Erlöses durften die Klassen für sich verbrauchen. Einen Teil spendete die Schule für die SOS-Kinderdörfer. Kurz vor dem letzten Weihnachtsfest bekamen wir einen Dankesbrief von einem SOS Kinderdorf aus Peru. Das Geld, das den Klassen blieb, wurde für Klassenfeiern oder als Zuschuss für Schülerfahrten genutzt.
In den 20 Jahren hatte fast jede Klasse Gelegenheit, wenigstens einmal eine Schullandheimfahrt nach Westdeutschland zu machen.
Bei den alljährlich durchgeführten Schwimmwettbewerben errang unsere Schule zwölfmal den ersten und dreimal den zweiten Platz vor den anderen Grundschulen des Bezirks.
Auf den Jahreshauptversammlungen des Freundeskreises wurde die Schule jedes Mal durch einige Kollegen und Kolleginnen vertreten. Drei Eulenspiegel-Tagungen waren jedoch von besonderer Bedeutung. 1970 und 1983 fanden die Treffen in Berlin statt. Jedes Mal versuchte die Schule, den Freunden Tills etwas zu bieten. 1970 standen Lieder und Gedichte auf dem Programm. Natürlich verblassten diese Darbietungen neben dem, was der Bruder Eulenspiegels von 1967 vortrug. Theo Lingen damals bei und zu Gast gehabt zu haben, erfüllte uns mit großem Stolz.
Nach diesem Bericht sieht es so aus, als würde an der Eulenspiegel-schule nur gespielt, gefeiert und gereist, und Till würde solch leichtsinnigem Dahinleben sicherlich eine saftige Lehre erteilen. Doch diese Aufzählung enthält die Bonbons, die den grauen Schulalltag versüßen. Was wollten Lehrer und Lehrerinnen, die hier unterrichteten und unterrichten? Was sollten die Schüler wollen? Es soll eine gewisse Ordnung herrschen. Pflichten sollen erfüllt werden. Schulweisheit soll vermittelt und aufgenommen werden. Man soll ein erträglicher Mitmensch sein. Und auch bei alle dem soll ein bisschen Zeit zum Fröhlich sein bleiben.
Gisela Fechler, 03.03.1988